Geralds Corner: „Baby Boomer“

Das Versagen der „Baby Boomer“ oder was man von Luisa Neubauer nicht lernen sollte


Eine extrem monochrome Sicht auf den aktuell viel diskutierten Generationen-Unterschied zwischen Millenials und Baby Boomern könnte so aussehen:

Den „Baby Boomern“ wird ja oft und gerne vorgeworfen, wichtige Entscheidungen -z.B. zum Klimawandel- nicht rechtzeitig oder gar nicht getroffen zu haben, zu moderieren wo Entschlossenheit gefragt ist und alles rational verstehen und analysieren zu wollen, ohne es anschließend auch konsequent zu bewerten, geschweige denn es zu verändern. Vermutlich werden sie in die Geschichte eingehen als Generation der „Unentschlossenen Allesversteher“.

Millenials hingegen bringen endlich die wichtigen Themen nach vorne, stellen Forderungen, statt zu diskutieren, predigen Verzicht und setzen neue, „sinn“-volle Tabus. Sogar die Sprache wird der politischen Gesinnung unterworfen, rationale Konsequenz geht eindeutig vor Ästhetik. Das Wohnzimmer – oder klassischer: die Agora- der Millenials ist der digitale Raum. Hier starten Kampagnen, die nicht selten im Shitstorm beendet werden. Hier können Randmeinungen zu Scheinriesen aufgepimpt werden, wenn man die Manipulationsmöglichkeiten des digitalen Raumes zu nutzen weiß. Vermutlich wird die Geschichte eines Tages von „Digitalen Jakobinern“ sprechen.

Von den „Staatsdienern“ grenzen sich die „Staatslenker“ ab, die im Bewusstsein der vollen, „ganzheitlichen“ Verantwortung ihr Territorium markieren und ganz offensichtlich Freude an der Sichtbarkeit ihrer regionalen und lokalen Alleingänge entwickeln. Das Detail wird gescheut, stattdessen gefällt man sich als Ankündiger von Leitlinien und Sponsor von Bazooka-artigen Rettungsschirmen. Darf man in so einer ernsten Lage Eitelkeit und Profilierungsgehabe unterstellen? Als Beobachter im „Corona-AC“ (und im Wahljahr 2021) muss man es sogar.

So viel zu den Klischees.

Als klassischer Baby Boomer kann ich es verständlicherweise nicht lassen, auch in diesem pnungsfeld verstehen zu wollen, was da eigentlich aufeinandertrifft und welche Möglichkeiten sich daraus entwickeln lassen.

Als gelehrsamer „Schulz-von-Thun“-Jünger habe ich mir erlaubt, das Werte- und Entwicklungsquadrat einmal heranzuziehen, um mir den oben beschriebenen Gegensatz einmal ganz methodisch vor Augen zu führen. Dazu braucht es nicht nur die entwertenden Übertreibungen/Unwerte, hier möglicherweise „Unentschlossenheit“ vs. „Jakobinertum“, sondern auch die positiven Werte, die in diesen Klischees stecken.

Außerdem brauchen wir natürlich reale „Modelle“ an denen wir diese Analyse durchexerzieren können. Mir fielen dazu 2 Personen ein, die auch zuweilen in den einschlägigen Talkshows aufeinandertreffen und sichtliche Schwierigkeiten haben, in einen Dialog zu kommen: Armin Laschet und Luisa Neubauer.

 

Zugegeben: es ist nicht ganz leicht, in dem monologischen Attacke-Diskussionsstil einer Luisa Neubauer oder in der steril-langweiligen Onkel-Rhetorik eines Armin Laschet die positiven Kerne zu entdecken. Beide sind von ihrem politischen Stil ganz offenbar 100%ig überzeugt. Womit wir bei den „von Thunschen“ Schwestertugenden wären. Fangen wir mit dem Kanzlerkandidaten an: ganz offenbar misstraut Herr Laschet jeder Form von rhetorischer Emotionalisierung. Für ihn sind Fakten, Organisation und Taktik die Kernelemente erfolgreicher Politik. Er ist mit dieser Attitüde möglicherweise ein zukünftiger Garant dafür, dass Polemiker und Demagogen in Deutschland auch weiterhin keine Chance haben werden, in die Nähe der Schaltstellen der Macht zu gelangen.

Luisa Neubauer hingegen zeigt uns, wie wichtig es ist, in einer Demokratie mit Leidenschaft und Ausdauer für die eigenen Positionen zu kämpfen. Sie setzt auf Rhetorik, Emotion und Kämpferherz.

Im Werte- und Entwicklungsquadrat könnte man diese Analyse wie folgt zusammenfassen:

Was würden wir also den beiden empfehlen (denn verstehen allein reicht ja bekanntlich nicht)? Einem Armin Laschet würde ich wünschen, dass er -für den Fall seiner Wahl- die Rolle des Kanzlers emotionaler interpretiert, sich entschlossen positioniert und nicht im Korsett des Amtes erstarrt. Er sollte die Kanzler-Rolle nutzen, um sich auch einmal von einer überraschend anderen Seite zu zeigen, die Klischees widerlegt und neue Spielräume schafft für Dialog. Das ist nicht die Aufforderung, die Eitelkeiten einiger Kanzler-Vorgänger zu entwickeln, aber etwas mehr Positionierung und Attacke – nennen wir es mal „Kämpferherz“ – würde ihm vermutlich guttun.

Mit Luisa Neubauer würde ich gerne einmal über ihre Sicht auf die Organisation von realen -also wahlentscheidenden- Mehrheiten diskutieren. Beim Thema „Plädieren“ kann man ihr vermutlich nicht mehr viel beibringen, das „Erkunden“ im Sinne von Analyse und Taktik ist sicher ausbaufähig.


Und am Ende kann ich es doch nicht lassen: als bekennender Baby Boomer finde ich eines besonders wichtig: Typen wie Laschet und Neubauer sind die Energiequellen einer lebendigen Demokratie. Meinungsunterschiede und Polaritäten sind kein Grund für Ausgrenzung oder Herabsetzung, sondern eine Chance für Weiterentwicklung. Dafür braucht es den Dialog, dafür braucht es „Verstehen“ und dafür braucht es Entschlossenheit. Baby Boomer und Millenials haben also noch einen Job zu tun. Wir moderieren sie gerne.